Von Nüssen, Zigeunern und einer schönen Kirche

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare
Sechsundvierzigster Tag - Samstag, 18.09.2021

Wir wachten mit Regen auf, der Himmel grau. Leider waren wir hier vor der Kirche in Floresti ohne Internetzugang, sodass ich keine Wettervorhersage bekommen konnte. Wir sind unseren Berechnungen nach nur noch ca. sechs Tage in Moldau und Rumänien unterwegs, dann müssen wir den Heimweg antreten, den wir mit mindestens vier Tagen kalkuliert haben.
Ich hoffe natürlich jetzt, dass sich das Wetter nicht zum Schlechten wendet und unser Abschied grau und regnerisch wird.

Nusspause

Als erstes Ziel heute stand die Stadt Soroca auf dem Plan, hier soll die Hochburg der Zigeuner in Moldau sein und ein ganzes Stadtviertel mit ihren Palästen existieren, ähnlich wie in Buzescu in Rumänien. Zunächst allerdings ging es von Floresti zurück auf die Hauptstraße und dann nach Norden.
Beate hätte gern noch ein paar Bilder schöner Ziehbrunnen und Wegkreuze, die hier überall am Straßenrand stehen. So ging es nicht lange, bis wir zum ersten Wegkreuz kamen mit Brunnen gleich daneben. Beate machte ihre Fotos, während ich den Wagen wieder in Fahrtrichtung drehte. Dann kam sie erst mal nicht, um etwas später mit einigen Walnüssen in der Hand eine Tüte zu holen.

Hier lagen viele Walnüsse im Gras, man konnte sie nicht sehen, nur erspüren. So machten wir beide uns denn auf die Suche nach Nüssen und hatten schon bald eine erkleckliche Menge zusammen.

Typisch für Moldau sind die von Walnussbäumen gesäumten Fern- und Dorfstraßen und man braucht nur kurz zu halten, um einen passablen Beutel voll zu sammeln. Um 1980 fand durch die Sowjets befohlen eine großangelegte Pflanzaktion der Nussbäume an den Straßenrändern statt, vornehmlich des Windschutzes wegen, jetzt bieten sie vielen Autofahren die Gelegenheit zu einer Nusspause.

Die Kerze der Dankbarkeit - Soroca

Unterwegs nach Soroca wartete noch eine interessante Sehenswürdigkeit auf uns, die Kerze der Dankbarkeit, eine 30 Meter hohe Steinsäule mit einer kleinen Kapelle im Inneren. Um ihr näher zu kommen muss man allerdings vorher 657 Stufen den Berg hinauf steigen, und dies sollten zwei Inschriften in großen Steinen am Beginn des Aufstiegs zufolge nur diejenigen tun, die in irgendeiner Weise Dankbarkeit zeigen wollen.

Irgendwo
Soroca Kerze der Dankbarkeit

Wir sind berechtigt dazu, denn diese bisherigen 46 Tage der Reise hätten wir wohl nicht ohne den Schutz unseres Herrn so unversehrt überstanden und hoffen auch auf Beistand für die restliche Reise.

Oben angekommen hat man einen wunderschönen Blick auf den Grenzfluss Dnister zur Ukraine und die Stadt Soroca. Der Steintum, die Kerze, sieht aus wie eine auf dem Starttisch stehende russische Wostok Weltraumrakete, vielleicht hat der Erbauer sich daran orientiert. Leider war der Himmel immer noch grau, wenigstens regnete es nicht. Aber ein grauer Himmel lässt halt alles ziemlich düster und manchmal auch trostlos erscheinen. Nach einer Weile des Aufenthalts, inzwischen waren schon zahlreiche andere Besucher gekommen, traten wir den Rückweg und die Weiterfahrt nach Soroca an.

Irgendwo
Festung in Soroca

In der Stadt der Zigeuner

Soroca ist Grenzstadt zur Ukraine und stark russisch geprägt. Zahlreiche heruntergekommene Mietskasernen aus sowjetischer Zeit prägen das Stadtbild und die Festung in Ufernähe des Dnister passt eigentlich so gar nicht ins Stadtbild. Sie ist kreisrund und mit vier runden und einem eckigen Turm versehen, leider konnten wir nicht hinein, da gerade Arbeiten am Eingangsturm vorgenommen werden. Auch hier wunderten wir uns wieder über die EU-Gelder, die in den Jahren 2012 – 2015 in die Renovierung der Festung gesteckt wurden, obwohl Moldau doch kein Mitglied der EU ist.

Wir ließen das Auto im Zentrum stehen und erklommen zu Fuß den Zigeunerhügel. Schon von unten sah man eine goldene Kuppel, die an die Kuppel des Felsendomes in Jerusalem erinnert. Je weiter wir den Berg hinauf kamen, umso mehr und größere Bauten bekamen wir zu Gesicht.

Nur, genau wie im rumänischen Buzescu, waren fast alle nicht fertig und in einem erbarmungswürdigen Zustand. Es waren mehr Ruinen denn Neubauten, manchmal sah man, wie minderwertig der verwendete Beton war und dadurch alles fast schon wieder zerfiel. Tolle Häuser hat man da angefangen zu bauen, aber unfertige Bauten zerfrisst die Zeit.

Die Menschen auf den nicht asphaltieren, schrecklich schlechten Schotterstraßen sahen uns interessiert an, versuchten auch mit uns zu sprechen, wir konnten aber leider nichts verstehen. Dennoch waren sie sehr freundlich, insbesondere wenn wir uns als Deutsche zu erkennen gaben.

Einer wies uns den Weg zu einer Straße mit den wohl schönsten und mächtigsten Bauten, aber leider alle herunterkommen und fast verfallen. Überall große metallene Tore mit goldenen Verzierungen und riesigen Adlern oder Löwen auf den Torpfosten, doch oft davor auf dem Gelände eine schlichte Hütte, in den die Eigentümer der dahinterliegenden Prachtbauten derzeit und auf ewig wohnen.

Ein Gebäude sollte wohl dem Capitol in Washington nachempfunden werden, leider verrottet es und die Erbauer wohnen in ärmlichsten Verhältnissen. Das ganze Stadtviertel ist eigentlich nur abrissreif.
Wir trafen einen Mann, der wohl gern mit uns gesprochen hätte, zählte alle Sprachen auf, die er konnte, deutsch war allerdings nicht darunter. Er meinte nur, „Moldau nix gut, dahinten wohnt der Boss der Verbrecher“. Ja, die Zigeuner haben ihren früheren Reichtum nicht unbedingt mit redlicher Arbeit erwirtschaftet.

Zigeunerhäuser in Soroca
Goldenes Dach muß sein
Zigeunerhäuser in Soroca
Schmiedeisnere Tore
Zigeunerhäuser in Soroca
Zigeunerhäuser in Soroca
Zigeunerhäuser in Soroca
Zigeunerhäuser in Soroca
Zigeunerhäuser in Soroca
irgendwo
Zigeunerhäuser in Soroca
Säulen über Säulen
Zigeunerhäuser in Soroca
Dachverzierungen müssen sein
Zigeunerhäuser in Soroca
Ruine
Zigeunerhäuser in Soroca
Aktuelles Wohnhaus
Soroca
Riesen Pferde auf dem Dach

Auf der Jagd nach Internet

Da wir noch zwei Tagesberichte nicht auf unserer Seite eingestellt hatten, waren wir nun im Stadtgebiet wieder auf der Jagd nach WLAN. Wir wurden neben einem Telefonladen fündig, zugleich war gleich daneben ein kleiner Schnellimbiss. Also flugs den Laptop geholt und bei zwei Cappuchinos die Computerarbeit erledigt.

Die schöne Kirche

Ich wollte nun noch, bevor wir uns ins Nachtquartier begaben, eine der schönsten Kirchen in Moldau anschauen, Beate hatte nicht unbedingt Lust dazu, doch sie gab sich gnädigt und folgte mir.

In Drochia befindet sich am Eingang zur Stadt die Himmelfahrtskirche, mit deren Renovierung noch in Sowjetzeiten 1988 begonnen wurde.Die Kirche ist innen vollständig im byzantinischen Stil ausgemalt und beherbergt als Besonderheit im Untergeschoss einen zweiten Kirchenraum.

Wir hatten Gelegenheit, an einem orthodoxen Gottesdienst teilnehmen zu können, doch der besteht eigentlich nur aus Gesängen. Es waren auch nur wenige Besucher anwesend, die, wie in orthodoxen Kirchen üblich kommen und gehen, wann sie wollen. So ein Gottesdienst dauert normalerweise auch fast zwei Stunden, solange hält es ohnehin niemand aus, zumal kaum Sitzgelegenheiten vorhanden sind.

Ein nächtlicher Stellplatz war im Voraus nicht in Sicht, so mussten wir fahren und hoffen, etwas entsprechendes zu finden. Und tatsächlich, am Straßenrand ein Hinweisschild zu einem Kloster. Wir bogen ein, fanden aber kein Kloster vor sondern einen Bauernhof mit Selbstvermarktung. Auf dem zugehörigen Parkplatz konnten wir gut stehen, kauften im Laden noch ein paar Bratwürste zum Abendessen und beendeten dann den Tag.

Gegen viertel vor acht klopfte es, ein junger Mann stand draußen, konnte zwar kein englisch, fragte aber, ob wir hier parken wollten und ob etwa die Beleuchtung auf dem Parkplatz uns stören würde. Ich verneinte, bin aber sicher, er hätte die Lichter abgeschaltet.
Zwanzig nach acht erneut ein Klopfen, ein Mann stand vor dem Wohnmobil und reichte zwei Tüten herein, gefüllt mit Wurst und Fleisch und roten Trauben.
Na, das nennt man Gastfreundschaft.

Gefahrene Kilometer: 95 km

Landkarte: Nach Soroca über Drochia

Schreibe einen Kommentar