Spurensuche – die Deutschen und die alte Sowjetunion

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Zweiundvierzigster Tag - Dienstag, 14.09.2021

Auf der Jagd nach WLAN

Wie häufig am Morgen, wenn wir alle unsere Arbeiten erledigt hatten, gingen wir auf Jagd nach dem WLAN. Wir fuhren von unserem Standplatz wenige hundert Meter ins Zentrum, dort gab es zwar freies Internet, aber nur 30 Minuten lang.
Also wie die Wünschelrutengänger an verschiedene Orte gelaufen, aber nie wirklich stabiles Internet bekommen. Oder es gab diesen Serverfehler, der es Beate nicht ermöglichte, sich bei ihrem Provider und somit ihrer Internetseite anzumelden. Uns blieb einzig übrig, in ein Kaffee zu gehen, dort einen Cappuchino zu trinken und die Arbeit am Computer zu erledigen.
So machten wir es. Der Cappuchino kostete 16 Rubel, die große Tasse also noch nicht mal einen Euro. Auch ich beschäftigte mich am Tablet mit der weiteren Reiseplanung, Beate tat das ihre mit den Tagebuchberichten. Ein zweiter Cappuchino musste her, da wir ja nicht nur im Café sitzen konnten und arbeiten, wir mussten ja auch was verzehren.

Zu den Deutschen

Halb eins war alles erledigt, wir konnten los. Ich hatte mich am Tourprogramm von Transnistria-Tours orientiert, die eine Fahrt zu den ehemaligen deutschen Dörfern Glückstal – Glinoe und Neudorf – Kamarova anbieten.
Ganz so weit weg von Tiraspol war es nicht, doch kostete es Zeit. Anfänglich war die Straße aus Tiraspol heraus sehr schön glatt und flott befahrbar, dazu drei Fahrspuren wie oft in Frankreich, die mittlere jeweils für Überholvorgänge, denn es waren recht viele Lastwagen in beide Richtungen unterwegs.

Dann wurde die Straße schlechter, viele kleine Schlaglöcher, aber vor allem heftige Querrillen, die den Wagen ständig durchschüttelten. Man war wie erholt, wenn mal ein kleines Stück glatte Fahrbahn kam.
So ging es durch zahlreiche kleine Dörfer, vorbei an vielen Straßenverkaufsständen, meist säckeweise Kartoffeln und Zwiebeln. Irgendwann dann der Abzweig nach Glinoe, im Navi und bei google maps ganz anders geheißen, aber das Ortsschild verriet, wir waren an der richtigen Stelle.

Was gab es hier zu sehen, der Ort war wie alle russischen Dörfer nicht kompakt mit Dorfzentrum, wie bei uns, sondern weit auseinandergezogen.
Wir parkten direkt an einem mit Säulen vor dem Eingang versehenen großen, grauen Gebäude, dass mit dem halbrunden Anbau an der anderen Seite wie die ehemalige Kirche aussah. Sie soll seit Kriegsende Kulturhaus sein. Tatsächlich, an der Eingangstür stand „Dom Kultura – Kulturhaus“. Der frühere Kirchturm war wohl schon lange abgerissen.

Deutsche Siedlung in Transnistrien
Glinoe Kulturhaus

Ein in schwarze gekleideter Mann mit zahlreichen Goldzähnen kam zu uns und redete auf uns ein, wir verstanden leider nichts. Er macht so manche Verzweiflungsgeste ob unseres Unverständnisses. Dann ging er, wir schauten weiter umher, kamen zu einem Haus gegenüber der ehemaligen Kirche und ich wollte schauen, was auf dem am Eingang angebrachten Schild stand.

Schon war der schwarze Mann wieder da, diesmal mit einem Begleiter, schloss die Tür des Hauses auf und führte uns in ein Büro. Das Haus dürfte das des Bürgermeisters gewesen sein, er vermutlich selbst der Bürgermeister. Er zeigte uns einen großen Ortsplan mit den Namen der Bewohner der einzelnen Häuser in den Jahren bis 1944. Interessant zu lesen, alles nur deutsche Namen, von Huber bis Schmidt und Pfeiffer. Beate machte ein Bild, dann dankten wir und verabschiedeten uns.

Beim Rausgehen deutete er uns noch an, dass es in der gleichen Straße ein Haus mit einem besonderen Dach gäbe, aha, das muss das auch in der Tourbeschreibung aufgeführte Haus sein. Ein über 200 Jahre altes, von deutschen Architekten gebautes und mit einem bunten Ziegeldach versehenes Haus, ganz anders als die übrigen.

Deutsche Siedlung in Transnistrien
Deutsches Siedlungshaus
Deutsches Siedlungshaus
Transnistrien

Nun hieß es noch, das Denkmal für die ehemaligen deutschen Bewohner auf dem Schulhof des Ortes zu finden. Auch das entdeckte ich, auf der Suche danach sprach mich eine Frau an, wahrscheinlich Lehrerin der Schule, ob ich das Museum sehen wollte. Da Beate im Auto geblieben war, konnte ich jetzt nicht so einfach zusagen, auch war es der Frau wohl lieber, es nicht zeigen zu müssen, da Schulschluss war und sie mit anderen schon auf dem Heimweg.

Weiter ging es nach Neudorf, weit weg war der Ort nicht, aber der Himmel verdunkelte sich und es begann tatsächlich zu regnen. Da in Kamerova ohnehin nicht viel zu sehen war, traten wir den Rückweg an, wählten dazu aber eine Nebenstraße
entlang der ukrainischen Grenze.
Und siehe da, diese Straße war wunderbar glatt, keine Schlaglöcher, keine Querrillen. Aber es regnete.

Plötzlich ein Brunnen, sofort eingelenkt und gestoppt, da wir unseren Wasservorrat ergänzen mussten. Nur leider regnete es immer heftiger. Aber was ein Mann tun muss, tut er, also ausgestiegen, die Gießkanne geholt, das Hemd ausgezogen und Wasser geschöpft. Kanne um Kanne verschwanden im Tank, der Regen schien heftiger und heftiger zu werden. Dann schnell zurück ins Fahrzeug, Beate hatte schon Wechselsachen bereit gelegt. Kaum war ich umgezogen, hörte es auch schon auf zu regnen.

Wasserstelle in Transnistrien
Wasserstelle in Transnistrien

Zurück nach Tiraspol

Die Rückfahrt ging dann hauptsächlich wieder über die gleiche Rüttelstrecke wie die Hinfahrt, man muss hier wirklich um den Zusammenhalt des Fahrzugs und seiner Inneneinrichtung fürchten. Ein gutes Stück vor Tiraspol dann wieder guter Straßenbelag. Wir steuerten die hier und in Moldau sehr bekannte Brennerei Kvint an, die guten Cognac und auch guten Wehrmut, hier Buket geheißen, herstellt. Daneben natürlich auch noch Wodka und andere Getränke. Hier kauften wir zwei Flaschen Cognac und einen roten und weißen Wehrmut, alles zusammen für ca. 12 Euro.

Dann noch in einen Sheriff – Supermarkt, um die Vorräte aufzufüllen. Sheriff ist hier in Pridnestrowe überall anzutreffen, Sportstadion, Supermärkte und Tankstellen. Der Besitzer war ehemals Polizist, Spitzname Sheriff, und als er zu Reichtum kam und dieses Märkte, Tankstellen und das riesige Sportstation errichtete, benannte er alles nach seinem Spitznamen.

Wir wechselten noch ein paar Euro in transnistrische Rubel um, da hier im ganzen Landstrich die Geldautomaten nicht mit unseren Visa- oder Mastercards funktionieren. Das Land ist ja nicht als existierender Staat anerkannt, daher ist auch seine Währung nicht konvertierbar Somit bleibt nur der Geldumtausch, obwohl oft auch Euro akzeptiert werden.

Transnistrien
Riesenrad in Tiraspol
Transnistrien
Karusell in Tiraspol

Zur alten Sowjetunion

Nach dem Einkauf wollte ich noch zum Siegespark, wo sich auch ein aus Sowjetzeiten stammender Vergnügungspark mit Riesenrad, Karussels und Schiffsschaukeln befindet.
Um einen Parkplatz in der Nähe zu finden, mussten wir erstmal ziemlich herumfahren, dann ging es in den Park. Ich war beeindruckt, fasziniert von diesen alten sowjetischen Fahrgeschäften, Beate überhaupt nicht. Nur um so ein blödes altes verrostets Riesenrad zu sehen, sind wir soviel rumgekurvt.

Sie war in sichtlicher Missstimmung, nur immer hinter mir herdackeln zu müssen um so einen alten Mist zu sehen. Nun, in dieser Hinsicht wird sie mich auch nach 50 Jahren Ehe noch nicht verstanden haben. Meine Begeisterungsfähigkeit für manche Dinge, Orte und Landschaften teilt sie nicht immer.

Abendessen wie die russische Oberschicht

Ich hatte ein Restaurant für den Abend ausgesucht, dass die typische Atmosphäre der alten Sowjetunion ausstrahlen soll. Leider konnten wir weder mit meinem Navi noch auf google maps die Straße finden, funktionierenden Internetzugang hatten wir auch nicht.
Also blieb nur, den Wagen zurück auf unseren gestrigen Stellplatz zu fahren und mit dem Taxi zum Restaurant. Schnell fanden wir eins, das uns nur ca. einen Kilometer weit zu fahren brauchte, schon waren wir da. Hätten wir das gewusst! Naja, die Fahrt kostete gerade mal einen Euro, das war zu verschmerzen.

Transniestrisches Restaurant
Essen wie vor 50 Jahren
Transnistriene
Nationalwappen

Das Restaurant „Back in USSR“ (Instagram / Trioadivsor) war wohl tatsächlich so eingerichtet, wie ein gutes Restaurant damals in Moskau. Rote Samtvorhänge, auf jedem Tisch eine Lampe, ein Telefonapparat mit Wählscheibe, typische Kugellampen an der Decke und Bilder von Lenin und Stalin an den Wänden. Nun, wir müssen es glauben. Uns wurde die Speisekarte gereicht, alles nur in kyrillisch. Da war ich dann überfordert, doch der Restaurantbesitzer, der den Laden erst seit kurzem betreibt, bekam mit, dass wir nicht von hier sind und reichte uns eine Speisekarte mit englischer Übersetzung.
Wir tranken eine Flasche hervorragenden roten Weines und bestellten wirklich sehr leckeres Essen. Gegen Ende kam der Besitzer noch einmal zu uns und ich unterhielt mich recht lange und gut mit ihm.

Dann traten wir nach Zahlung von weniger als 20,-€ für das gesamte Abendessen mit Wein zu Fuß den Heimweg an, nicht ohne unterwegs noch in einem Lokal einzukehren und dort unsere restlichen Rubel in Cocktails umzusetzen.

Gefahrene Kilometer: 150 km

Landkarte: Transnistrien fahrt zu deutschen Siedlungen

Irgendwo in Transnistrien
Die moderne Stadt Tiraspol

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