Dreiundzwanzigster Tag, Freitag, 03.06.2022
Schon um kurz nach vier, es wurde draußen gerade hell, hörte ich Stimmen der ersten frühen Wanderer, die zum Gipfel dieses höchsten Berges Großbritanniens aufbrechen wollten.
Um fünf Uhr dann Motorengeräusche und Stimmen, sodass auch Beate aufwachte. Also nicht mehr liegen bleiben bis halb sechs, sondern auch für die Wanderung fertig gemacht. Um zehn vor sechs waren wir fertig, fünf Minuten später ging es los. Der Himmel war klar blau, die Sonne noch nicht hinter den Bergen hervor gekommen. Es war ein so herrliches Geräusch, den Kies untere den Schuhen knirschen zu hören und dabei die frische Morgenluft einzuatmen. Schnell ging es auf dem gut ausgebauten Weg höher und höher. Wir waren zu dieser frühen Stunde ganz allein unterwegs, allerdings blieb das nicht so. Gegen sieben Uhr kamen uns zwei junge Frauen entgegen, die bereits auf dem Rückweg vom Gipfel waren. Müssen um Mitternacht losgelaufen sein. Schon kamen weitere Wanderer hinter uns her, überholten und grüßten mit einem netten “good morning“. Und so gingen es immer höher über den mit Steinen belegten recht breiten Weg. Langsam aber sicher kam auch die erwartete Karawane in Gang und überholte uns. Von oben kamen junge und ältere Männer im Laufschritt, die wohl ebenfalls schon ganz früh morgens im Laufschritt zum Gipfelsturm aufgebrochen sind.
Der Weg führte unablässig nach oben, mal schwächer mal stärker ansteigend. Beate fand ihren Schritt, nicht schnell, aber ausdauernd. Die folgende Karawane schwoll immer mehr an, je später es wurde. Der Weg führte in weitem Bogen um den dem Ben Nevis vorgelagerten Berg herum und erreichte dann eine Hochfläche mit See. Von hier aus ging es dann an die Flanke des Ben Nevis und einen weiten Zick-Zack-Weg nach oben.
Kurz bevor wir die Hochfläche erreichten tauchten dann leider Wolken auf, die die Sicht auf die umliegenden Berge und Täler verdeckten. Die Sorge wuchs, dass wir am Gipfel keine Aussicht mehr haben werden, sondern nur in den Wolken stecken. Doch zum Glück, je höher wir kamen, umso mehr ließen wir die Wolken unter uns. Die Sicht auf die umliegenden Berge war fantastisch. Zunächst versteckte sich die Sonne noch hinter dem Gipfel und beleuchtete nur einen Teil der Umgebung, dann trat sie hervor und tauchte alles in glänzendes Sonnenlicht. Die unter uns vorbeiziehenden Wolken lösten sich auf, doch neue zogen heran. Aber die Sicht Richtung Süden blieb frei.
Der Weg zog sich nun schnurgerade zick-zack-artig nach oben, der unten treppenförmig aufgebrachte große Steinbelag wechselte sich nun ab mit Geröll und größeren Felsen auf dem Weg. Die nachströmende Masse an aufsteigenden Menschen wurde größer und größer, und viele überholten uns. Das Geräusch der unter den Schuhen knirschenden und klappernden Steine und der Blick nach oben zum Gipfel erfüllten mich mit Freude. Ich musste immer wieder auf Beate warten, doch sie zog unbeirrt ihren Schritt durch. Bald meinte man, nun kann es nicht mehr weit zum Gipfel sein, doch der Blick nach oben zeigte noch in großer Höhe die Menschenschlange.
Ein Schneefeld musste überwunden werden, dann wurde es flacher. Der Gipfel des Ben Nevis ist nur ein großer Steinhaufen, ohne Gras oder Erde oder Blümlein dazwischen. Es fällt schwer, über dieses Geröll zu laufen, doch irgendwann dann erblickten wir die zerstörten Reste des früheren Observatoriums und den Betonpfeiler, der den Gipfelpunkt markiert. Das Plateau ist so groß, dass hier sehr viele Menschen Platz haben, und sehr viele Menschen waren auch hier.
Zur Nordseite fällt der Hang steil ab, man darf sich also nicht soweit vorwagen, doch ist der Anblick gewaltig. Wir machten unsere Fotos und sahen dann vor der Betonsäule eine Schlange von Menschen, die sich wie in England üblich schön anstellten, um dann, wenn sie an der Reihe waren, von sich und der Säule als Beweis ihres Gipfelsieges ein Foto machten.
Wir zogen uns an eine windgeschützte Stelle zurück und frühstückten erst mal. Viertel vor elf war es, wir hatten vier einhalb Stunden gebraucht, eine gute Zeit, angegeben waren vier Stunden.
Beate hatte den zähen Willen, den Gipfel zu erreichen, obwohl sie schon unterwegs einmal gesagt hatte, dass sie es wohl nicht schaffen würde. Aber wir waren beide oben, es war großartig.
Nach vielen Fotos, dem Frühstück und eine dreiviertel Stunde später ging es wieder bergab. Nun erscheint es manchem sehr anstrengend den Berg hoch zu laufen, doch noch viel anstrengender und kniebelastender ist ein Abstieg vom Berg. Der Weg durch das Geröll war furchtbar, immer musste man aufpassen, nicht auszurutschen oder über Steine zu stolpern. Hinzu kam nun ein nicht aufhören wollender Strom von heraufkommenden Menschenmassen, denen auf dem teilweise engen Weg immer ausgewichen werden musste. Ich machte mir Sorgen um Beates Knie, wusste ich doch, wie weit und wie unablässig der Weg noch nach unten ging.
Irgendwann dann war das Geröll überwunden und der treppenartige Weg begann. Leider noch schwieriger zu gehen als durchs Geröll. Bis ca. 14:15 Uhr kamen uns ununterbrochen nach oben strebende Leute entgegen, es sah aus wie auf einem Ameisenhaufen. Dann wurde es weniger, doch noch immer kamen uns vereinzelt Wanderer entgegen. Ich konnte es nicht glauben, denn viele hatten ja noch einen weiten Weg vor sich und dann natürlich auch wieder den Abstieg. Tatsächlich sah ich noch am Abend von unserem Stellplatz durchs Fernglas um halb neun Uhr Menschen auf dem Weg nach unten.
Irgendwann dann nach ca. drei einhalb Stunden hatten wir es geschafft, müde, mit schmerzenden Füßen und Knien waren wir wieder am Wohnmobil. Der Ben Nevis war bezwungen. Für mich ist ein Berg erst dann erfolgreich bestiegen, wenn man heil und gesund wieder unten ist.
Nach insgesamt neun Stunden am Berg gab es erst mal ein Bier, dann fuhren wir von unserem Stellplatz los. Wir wollten heute mal einen Campingplatz aufsuchen, auch um uns nach dieser Anstrengung wieder mal ordentlich zu duschen. Doch leider mussten wir nach drei angefahrenen Campingplätzen feststellen, dass es heute am Freitag, wo zusätzlich noch in Großbritannien ein gesetzlicher Feiertag ist, nirgends ein freier Platz zu bekommen ist.
Also wieder auf Park4Night gesucht und etwas außerhalb von Fort William ein schönes Plätzchen gefunden, mit herrlicher Aussicht auf den vor kurzem erreichten Gipfel des Ben Nevis. Nach dem Abendessen dann blieben wir nicht mehr lange auf. Im Bett liegend wollten wir noch einen Film anschauen, doch die Müdigkeit überkam uns schnell.
Gefahrene Kilometer: 37 km
Tolle Bilder und sogar noch Schnee, den ich in den ich in den Aloen, aber nicht in Schottland 🏴 vermutet hätte . Und sehr gut 👍 4,5 Stunden rauf, und dann „knieschädigend“ wieder runter 😊