Achtundzwanzigster Tag - Dienstag, 31.08.2021
Ceaucescus Größenwahn
Eines der bedeutendsten Bauwerke in Bukarest ist der Palast des Präsidenten, erbaut ab 1984 in einem ehemaligen Stadtteil von Bukarest, der auf Anordnung des Machthabers Ceaucescu nach dem schweren Erdbeben 1977 komplett abgerissen wurde und mehr als 70.000 Menschen ihr Zuhause verloren.
Dieses gigantische Bauwerk hatten wir ja schon am Abend zuvor angeschaut und umrundet, heute galt es, im Rahmen einer Führung einen Blick ins Innere zu werfen.
So machten wir uns auf, waren viertel nach 10:00 Uhr am Eingang für Touristen und lösten zwei Karten für eine 1 ½ stündige Führung durch die wichtigsten Räume im Palast.
Bis zum Beginn um 11:00 Uhr vertrieben wir uns noch etwas vor dem Gebäude in der Sonne die Zeit. Bei genauerer Betrachtung der 30 – jährigen Bausubstanz stellt man doch schon recht viele, vor allem durch Feuchtigkeit verursachte Schäden fest.
Der Sandstein bröckelt, viele Risse sind sichtbar und vielfach sieht man durch Feuchtigkeit verursachte Salpeterbildung.
Auch die im Außenbereich angebrachten Marmorbodenfliesen sind an vielen Stellen marode, brüchig oder fehlen ganz.
Der Bau muss ständig ausgebessert und renoviert werden, obwohl er erst 1997 komplett fertiggestellt worden ist. Bisher hat er samt Baukosten über 3,3 Milliarden Euro verschlungen.
Im Inneren des Palastes des Präsidenten
Um 11:00 Uhr begann die Führung, es ging durch die Repräsentationsräume des Diktators, der Versammlungräume der kommunistischen Partei und des Eingangsbereichs mit den zwei großen Freitreppen, auf denen Ceaucescu und seine Frau Elena bei Empfängen ausländischer Staatsgäste herunterschritten.
Alles im Inneren bestand aus Marmor der verschiedensten Färbungen, insgesamt eine Million Kubikmeter Marmor wurden verarbeitet, dazu Unmengen der verschiedensten Hölzer, Seidentapeten und Teppiche.
Der größte und schwerste Kronleuchter in einem Versammlungraum wiegt allein fünf Tonnen und kann zum Reinigen und Wechseln der Glühbirnen heruntergelassen und begangen werden.
Alle Räume hatten monströse Ausmaße und dienten einzig und allein dazu, ausländische Gäste und Politiker zu beeindrucken und ihnen zu beweisen, was für ein großer Führer Ceaucescu war.
Selbst ein Vorraum zwischen zwei Versammlungssälen war so konstruiert, dass er ein Echo erzeugte, um den Applaus relativ weniger zu einer überwältigenden Huldigung des „Genies der Karpaten“, des „Conducator“ oder des „irdischen Gottes“, wie Ceaucescu sich bezeichnen ließ, werden zu lassen.
Die Sicht vom Balkon im 1. Stock über die Stadt und entlang des Bulevardul Unirii, der Champs Elysée in Paris nachempfungen, war überwältigend.
Zwanzig Minuten nach zwölf war die Führung zu Ende, man hatte mehr als einen Kilometer im Gebäude zurückgelegt aber nur etwa 7% davon gesehen. Würde man nur in jedem Raum eine Minute verbringen, dauerte eine Besichtigung 18 Stunden.
In der Altstadt von Bukarest
Nach diesem beeindruckenden Erlebnis ging es wieder zurück in die Altstadt, dort gab es noch etliche Dinge zu entdecken. Zwei interessante Passagen waren zu durchqueren, in der Pasajul Vilacrosse setzten wir uns in ein Café und tranken etwas zur Erfrischung.
Dann suchten wir die zweite im Internert als interessant bezeichnete Englische Passage. Sie war schwer zu finden und ziemlich gruselig. Nicht umsonst hat man hier eine Sequenz des Films „Dracula“ gedreht. Geschäfte oder Cafés gab es keine mehr, nur in den darüberliegenden zwei heruntergekommenen Stockwerken wohnten noch Menschen.
Zufällig entdeckten wir die Pasajul Victoria mit den bunten Regenschirmen, hier gibt es viele klene versteckte Bars.
Dann wurde es Zeit für ein Nachmittagsbier, Wunschlokal war das von gestern Abend „Care cu bere“. Also ging es dort hin, viele Restaurants bieten ab der Mittagszeit bis 18:00 Uhr zwei Bier zum Preis von einem an. Genau richtig für uns. Dazu gab es noch eine Suppe und wir waren gestärkt für die weitere Erkundung der Stadt.
Auf meinem Besichtigungsplan stand noch das Athenäum, der wohl schönste Bau in Bukarest und der Platz der Revolution. Beate wollte noch in zwei schöne Bibliotheken / Buchhandlungen. Die erste Carture Sti Carusel. Sie geht über mehrer Stockwerke und ist in einem schönen alten, renovierten Gebäude untergebracht.
Am Platz der Revolution wird den Toten der Dezemberrevolution 1989 gedacht und dort befindet sich auch das Regierungsgebäude, von dessen Balkon aus Ceaucescu am 21.12.1989 seine letzte Rede hielt, in deren Verlauf die Stimmung umschlug und in eine Revolution mündete. Vier Tage später gab es keinen „Conducator“ nebst Frau mehr.
Nach dem Besuch der zweiten von Beate benannten Buchhandlung, Carture Sti Verona, gingen wir zurück zum Wohnmobil.
Raus aus Bukarest, weiter Richtung Schwarzes Meer
Am Wohnmobil überlegten wir, noch eine Nacht in Bukarest zu bleiben oder außerhalb einen kostenlosen Stellplatz für die Nacht zu suchen. Eine Nacht mehr würde weitere Kosten bedeuten, sowohl Parkgebühren wie auch Ausgaben in Restaurants der Altstadt.
Also entschlossen wir uns zur Weiterfahrt. Einen geeigneten Platz im Internet ausgesucht und los. Ca. 30 Kilometer waren es bis dort, zunächst hinaus aus der Stadt und dann übers Land, immer dem Navi nach.
Irgendwann war dann die Wegführung des Gerätes zu Ende, jedoch kein Stellplatz in Sicht. Da es schon dunkel wurde, entschlossen wir uns, neben einem Angelgewässer einen schönen Platz für die Nacht zu suchen. Zahlreiche Angler saßen hier, in der Nähe von uns blieben sie die ganze Nacht, aber niemand störte sich an unserer Anwesenheit.
Mit dem Wohnmobil in Rumänien unterwegs zu sein bedeutet Entspannung pur.
Gefahrene Kilometer: 33 km