Dreißigster Tag, Freitag, 10.06.2022
Manchmal hatte ich in der Nacht den Eindruck, es regnet wieder, doch war es nur das Laub der nahen Bäume, das im Wind bewegt wurde. Trotz der direkt am Nächtigungsplatz vorbeiführenden Straße war es völlig ruhig und wir konnten gut schlafen.
Die helle Sonne weckte uns, das umfangreiche Frühstück war auch bald erledigt und wir konnten los. Zunächst wollten wir noch einen Blick in die St. Georges Markthallen werfen, aber es war unmöglich in der Nähe eine Parkmöglichkeit zu finden.
Also weiter zum Cupar Way im Stadtviertel Falls, wo eindringlich, lang und hochaufragend eine sog. Peace Wall steht, ein zynischer Name für eine Mauer zwischen verfeindeten Volksgruppen. Über den von 1969 bis zum Karfreitagsabkommen 1998 andauernde Nordirlandkonflikt kann im Internet nachgelesen werden. Für uns war es mehr als beeindruckend und beklemmend, diese Mauer zwischen den irisch – katholischen und englisch – protestantischen Wohnvierteln zu sehen. Zunächst liefen wir die Mauer auf englicher Seite entlang, sahen die Straßentore, mit denen die Viertel im Falle von Auseinandersetzungen sehr schnell komplett abgeriegelt werden konnten und gingen auch auf die andere Seite der Mauer, in den irischen Teil. Hier häufig irische Fahnen an den Häusern und recht viele Gedenkstätten für gefallene IRA – Kämpfer und Zivilisten. Auffallend die Inschriften an einer Gedenkstätte in der Bombay – Street, wo am 15.08.1969 die heftigen Auseinandersetzungen begannen: auf der linken Seite des Gedenksteines die Namen der Märtyrer, die im irischen Freiheitskampf gefallen sind, auf der rechten Seite die von Loyalisten und der britischen Armee ermordeten Zivilisten. Allein die Wortwahl zeigt noch immer den tiefen Graben zwischen den Engländern und den Iren. So ist ja auch die Mehrheit der dort lebenden Bevölkerung dagegen, diese Mauern einzureißen. Zumal jetzt nach dem Brexit, den eine Mehrheit der Nordiren nicht mitgetragen hat.
In der Shankill Road ein anderes Bild, überall britische Fahnen und Fähnchen, wohl noch Überbleibsel der Feierlichkeiten zum Thronjubiläum am vergangenen Wochenende. Bei der Fahrt durch diesen Stadtteil Belfasts wurde uns bewusst, ein religiöser, wirtschaftlicher und sozialer Konflikt kann nicht einfach durch Worte von Politikern gelöst und beendet werden.
Bei schönem Sonnenschein verließen wir die Stadt nordwärts. Ab jetzt ging es uns wettermäßig wie anfänglich in Schottland, Regenschauer wechselte sich ab mit Sonnenschein und blauem Himmel. In Irland ist immer schönes Wetter – between the showers. Die mächtige Normannenburg in Carrickfergus mussten wir auslassen, erstens war der Parkplatz vor der Burg wegen eines Volksfestes gesperrt und zweitens kam gerade ein heftiger Schauer auf uns hernieder. Nun, Burgen und Schlösser kennen wir, ist also nicht so tragisch, sie nicht angeschaut zu haben.
Weiter ging es an der Küste entlang nach Larne. Dorthin wollte ich eigentlich von Schottland mit der Fähre fahren und dann nach Belfast, nun war ich froh, dass wir direkt dorthin gefahren sind. Der Weg Belfast – Larne war doch sehr weit. Durch mehrere kleine Küstenorte gelangten wir zu einem Abzweig einer Straße, die in meinem Reiseführer als ziemlich schmal und steil mal rauf mar runter beschrieben wird, aber landschaftlich sehr beeindruckend sein soll. Das Sträßchen war wirklich nur so breit wie unser Wohnmobil und anders als in Schottland auf den single track roads gab es hier keine regelmäßigen Ausweichstellen.
Also nur hoffen, dass niemand entgegen kommt. Wenn denn mal welche kamen, immer zur passenden Zeit gerade an Einfahrten oder breiteren Stellen. Ziel war Torr Head, eine kleinen Landzunge mit Hügel, die die schmalste Stelle zwischen Irland und Schottland markiert. Hier über den Mull of Kintyre sind es nur 12 Meilen bis zum schottischen Festland.
Natürlich fällt einem dann hier sofort das Lied von den Wings und Paul Mc Cartney ein:
Mull of Kintyre
Oh mist rolling in from the sea,
My desire is always to be here
Oh Mull of Kintyre
Far have I traveled and much have I seen
Dark distant mountains with valleys of green.
Past painted deserts, the sunset’s on fire
As he carries me home to the Mull of Kintyre.
Wir parkten den Wagen und gingen hinauf auf den Hügel, auf dem eine alte, verlassene ehemalige Küstenwachstation steht. Der Wind pfiff ordenlich hier oben, die Sicht entlang der Küste rüber zum Fair Head, einer herrlichen Steilküste war phantastisch. Unterhalb der Station in der Nähe des Parkplatzes die Ruine der früheren Unterkünfte der Besatzunge der Küstenwachstation, zertört 1921 im britisch – irischen Unabhängigkeitskrieg.
Nachdem wir uns ordentlich haben durchpusten lassen ging es weiter auf der engen Küstenstraße, ein Abstecher zum Parkplatz für eine Wanderung zum Fair Head folgte. Doch erstens sollten da drei Pfund Parkgebühr auf dem Hof eines Bauern hingelegt werden und zweitens waren wir gestern genug gelaufen, sodass wir diesen Stopp nicht einlegten. Obwohl es erst gegen 16:00 Uhr war, suchten wir in der Nähe einen Übernachtungsplatz und wurde fündig außerhalb der Ortschaft Ballycastle auf einem schönen Parkplatz mit direktem Blick auf`s Meer. Es ist der Parkplatz für Besucher der unterhalb liegenden Burgruine Kinbane, ein paar Mauerreste auf einer Felsenzunge. Man muss ganz schön tief herunter steigen, um zur Ruine zu kommen. Kaum waren wir da, wieder Regenschauer, nun, davor war es ja sonnig gewesen. Beim Aufstieg dann wieder Sonne.
Die Besucherautos auf dem Parkplatz verschwanden so nach und nach, nur noch ein VW – Bus blieb neben uns zur Übernachtung hier. Der Sturm war mal kräftig und schüttelte den Waggen hin und her, mal war kaum ein Lüftchen zu hören. Glaubt man der Wettervorhersage, wird es erstmal mit diesem Wechselwetter die nächsten Tage so weiter gehen.
Belfast würde mir auch noch mal gefallen 😊 mal schauen 👀