Sechsunddreißigster Tag - Mittwoch, 08.09.2021
Aufbruch in`s Unbekannte
Gestern nachmittag hatten wir neue Pläne gemacht, um das wichtigste Ziel unserer Reise, den Kilometer Null der Donau, dort, wo sie ins Schwarze Meer mündet, zu erreichen.
Zunächst hatten wir geplant, heute mit dem Schiff von Tulcea nach Sulina zu fahren, um dort das Schild mit der magischen Null zu sehen, doch hätten wir dort in einem Hotelzimmer übernachten müssen, da die Fahrt mit dem Schiff über fünf Stunden dauert und eine Rückfahrt am gleichen Tag nicht möglich ist.
Außerdem steht das spektakulärere Nullzeichen am Strand des Hauptarmes bei Vylkovo in der Ukraine. Also entschieden wir uns für diese Variante, Fahrt mit dem Wohnmobil über Galati hinein nach Moldau und gleich weiter über die ukrainische Grenze. Dann auf dem Landweg nach Vylkovo.
Also ging es um halb elf los, zuerst die Straße mit den letzten zwei Kilometern Holperstrecke zurück zur Fähre über den Sulina-Arm, dann nach Tulcea, wo wir in einem Kaufland-Markt noch unsere Vorräte auffüllten. Dann ging es weiter dem Navi nach Richtung Galati.
Irgendwann dann in einem kleinen Ort sah ich ein Schild, auf dem ich „Frontiera“, lesen konnte in einem Kilometer Entfernung. Grenze, hier, wo soll das sein?
Auf der Karte war tatsächlich in diesem Dorf ein Abzweig zur Donau eingezeichnet und auf der anderen Flussseite ebenfalls. Aber kein Grenzübergangszeichen.
Also los in die Ukraine
Sollte da tatsächlich ein Grenzübergang sein, würden wir uns ein großes Stück Weg und die Grenzüberschreitung nach Moldau sparen.
Also abgebogen und zum Flussufer gefahren. Tatsächlich waren dort Grenzabfertigungsanlagen aufgebaut. Prima, so sind wir schneller dort, wo wir hin wollen. Die rumänischen Grenzer waren sehr freundlich, die Abfertigung ging schnell, gute Reise.
Dann ging es weiter zur Fähre. Die war gerade angekommen und wurde entladen, leider ging es nicht sofort weiter mit dem erneuten Beladen, sondern man wartete. Immer mehr Fahrzeuge stellten sich in die Schlange, wir waren mit unserem Wohnmobil wohl das Exotischste, und dann noch aus Deutschland.
Irgendwann waren dann alle Fahrzeuge auf der Fähre, doch trotzdem legte sie nicht ab. Erst kurz nach 15:00 Uhr schlossen sich die Reelingsgitter, nicht ganz vollbeladen ging es los.
Der Chila-Arm ist an dieser Stelle über einen Kilometer breit, am anderen Ufer ist die Ukraine. Die Überfahrt dauerte nicht lange, dann zur ukrainischen Grenzkontrolle.
Zunächst stand da ein Grenzer, notierte auf einem kleinen „Kontrol Talon“ unser Kennzeichen. Dann hatten wir uns in die Reihe für LKW, PKW mit Anhänger und Wohnmobile zu stellen. Nun war warten angesagt.
Niemand interessierte sich anscheinend für uns. Nach 30 Minuten Wartezeit machte ich einen Grenzer dann mal auf uns aufmerksam. „Just a moment“ hieß es nur. Etwas später, hinter uns stand ein LKW, dessen Fahrer allmählich ungeduldig wurde, dann eine Kontrolle des Wohnmobils, ausleuchten aller Schränke mit der Taschenlampe, Lumpi, der Drogenhund musste durchs Mobil schnüffeln, dann war dieser Teil erledigt.
Nun tatsächlich mal die Impfsausweise vorgezeigt, ob die Grenzer allerdings genau wussten, wonach sie schauen mussten, bezweifle ich. Dann die Pässe, Stempel rein, bitte zur Zollkontrolle.
Dort inspizierte ein grimmig stalinistisch dreinblickender Zollbeamter unseren Fahrzeugschein und beugte sich über seine Computertastatur. Was er nun damit wollte und überprüfte, weiß ich nicht. Unser Wohnort war wichtig und was für ein Fiat es denn sei. Aha, ein Ducato.
Ich glaubte, ihm behilflich zu sein, indem ich ihm die internationale Zulassungsbescheinigung überreichte, es schien aber so, als hätte er sowas noch nie gesehen. Schließlich gab er mir alles zurück, der kleine „Kontrol Talon“ war mit einem schwarzen und roten Stempel versehen und ich konnte zum Fahrzeug.
An der Ausfahrt vom Gelände noch eine Schranke, der gestempelte Zettel wurde eingesammelt, ein weiterer Blick ins Wohnmobil erfolgte, ob nicht etwa noch eine versteckte Person darin sei, dann ging es mit einem netten Wunsch für eine gute Fahrt hinein in die Ukraine. Die ganze Prozedur seit Einfahrt in die rumänische Kontrollstelle mit Fährüberfahrt hatte ganze drei Stunden gedauert.
Unglaubliche Ukraine
Nun waren wir also in der Ukraine. Hatte ich in der Vorbereitung der Reise nicht berücksichtigt und so mein Navi nicht mit der Karte des Landes gefüttert.
Also mussten wir anhand der Papierkarte navigieren. So ging es also durch eine ziemlich karge Landschaft und durch sehr russisch anmutende Dörfer auf recht guter Straße nach Ismail, der nächsten größeren Stadt.
Hinein ins Zentrum, geparkt und einen Geldautomaten gesucht, den wir auch schnell gefunden hatten. Noch ein kurzer Blick in die orthodoxe Kirche und weiter ging es.
Da wir allerdings nur die grobe Landkarte als Navigationshilfe hatten, war es nicht einfach, den Weg aus der Stadt und weiter zum nächsten Ziel zu finden.
Anhand des GPS-Trackers konnten wir wenigstens die Himmelsrichtung feststellen, in die wir fuhren. Es schien die richtige Straße zu sein. Doch nach vielen Kilometern plötzlich Schluss. Endstation.
Gerade kam ein Taxi, entlud zwei Passagiere, von denen einer englisch konnte und mir den richtigen Weg wies. Wir waren ziemlich weit von der Zielstraße entfernt und versuchten nun, dahin zu kommen.
Da wir die Orientierung verloren hatten, schaute ich auf die offline rudimentären google maps, wo wenigstens der Standort angezeigt wurde und die nächste größere Straße, die wir erreichen mussten.
Die Straße war nicht mehr als Straße zu bezeichnen, eine Piste mit Schlagloch an Schlagloch, manchmal glaubte man, nicht weiter zu kommen.
Dennoch erreichten wir den Weg Richtung unseres Zielortes, aber die war auch nicht besser, wurde immer schlechter, das Wohnmobil schaukelte wie ein Schiff im Wellengang. Dennoch war es eine offizielle Landstraße auf unserer Landkarte.
Langsam nur ging es voran, die Zeit saß uns im Nacken, bei Dunkelheit hier zu fahren wäre selbstzerstörerisch. Oftmals hatten andere Fahrzeuge neben der Straße auf dem Seitenstreifen eine Spur gelegt, der auch wir folgten, sie war meistens nicht besser.
Halb acht dann war ich fertig, diese Fahrerei strengt unwahrscheinlich an, volle Konzentration ist gefordert und dennoch kann man es nicht vermeiden, dass der Wagen manchmal in ein Schlagloch hineindonnert.
An einem geeigneten Feldweg mitten im Nirgendwo drehten wir ein und hielten für die Nacht.
In der Weite der Ukrainischen Steppe
Schnell wurde es dunkel und die Sterne funkelten. Ich ging raus, während Beate das Essen vorbereitete.
Es war so ein unglaubliches Gefühl, hier mitten im Nirgendwo unter dem funkelnden Sternenhimmel zu stehen, die Nacht rabenschwarz und eine Grabesruhe. Unvorstellbar. Leider sind auch die stechenden Plagegeister zahlreich unterwegs, sodass der Aufenthalt in dieser fantastischen Welt nur von beschränkter Dauer sein konnte.
Einmal nur noch konnten wir das Licht von einem sehr langsam vorbeischaukelndem Auto sehen,dann nur noch das Funkeln der Sterne und die Lichter der nicht merhr allzu fernen Stadt.
Das Abenteuer Donaukilometer Null kostet uns viel Zeit und Nerven und wirft unseren weiteren Zeit- und Reiseplan gehörig durcheinander.
Gefahrene Kilometer: 155